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Dienstag, 8. Februar 2011
KRITIK "AUGSBURGER ALLGEMEINE",07.02.2011
Ein Code, der leicht zu knacken ist
Von Stephanie Knauer
Eine Pause, so erklärte Mathias Richling nach der Vorführung, würde den Fluss seines neuen Programms zu sehr aufhalten. Und so bekam das Publikum in der nicht ganz ausverkauften Neusässer Stadthalle zwei Stunden Mathias Richling am Stück. Doch wie sich zeigte, gelang es dem Kabarettisten, Spannung und Aufmerksamkeit bruch- und nahtlos zu halten.
Richlings neues, laufend aktualisiertes Programm heißt „Der Richling Code“ und spielt schon im Titel auf den Weltbestseller „Der Da Vinci Code“ von Dan Brown an. Und auch beim Bühnenbild ( von Regisseur Günter Verdin)stand da Vinci Pate. Hinter einem langen, in Schwarzrotgelb gedeckten Konferenztisch war die Abendmahl-Szene zu erkennen. Auf dem Tisch standen Namenskärtchen und jedem der im Folgenden aufs Korn genommenen Politiker war so ein Apostel zugeordnet. Nur Jesus blieb ausgespart: An seiner statt stand eine kopflose Schneiderpuppe mit leuchtend rotem Blazer, Symbol für die Kanzlerin, deren Büste zudem in einer Merkel-Karikatur am Bühnenrand abgebildet war.
Richlings Merkel-Parodien hinter dem Torso bekamen so einen messianischen Anstrich. Der aal- und gelglatte von Guttenberg zu ihrer Rechten nahm den Platz des Lieblingsjüngers ein. In Judas-Nähe saß ein Stasi-umwehter Gregor Gysi, unter ferner liefen Westerwelle und der Rest des Kabinetts. Die Altkanzler Schmidt und Schröder nahmen in Chefsesseln neben den Namenskärtchen „Raucher“ und „Zigarren“ Platz und versprühten lässig starken Tobak („Das Volk ist wach geworden, der Staat ist eingeschlafen.“).
Stehen musste der Bürger, symbolisiert durch Handwerkskittel und geduckte Haltung. „Ich verhungere“, klagte er Ackermann an. „Das dauert lang“, erwiderte der Banker ungerührt. „Wenn morgen die Welt unterginge, würden wir heute noch eine Bank retten“, wandte sich Richling vorwurfsvoll ans Publikum.
Seine bekannten Imitationen ziehen noch immer
So harmlos sein Tonfall klingt, Richlings Inhalte sind schwer zu verdauen. „Von mir kriegen Sie nochmals die Kröten serviert, die Sie die letzten Wochen haben schlucken müssen“, kündigte er an. Und hangelte sich dann von „Google Wohn View“ über Stuttgart 21, Ilse Aigner („das einzige freilaufende Mitglied der Koalition“) und Wolfgang Bosbach („ist nichts und weiß alles“) zu Christian Wulff („das Schaf im Wulffspelz“) - das Politkabarett ist Richlings Element.
Der Politiker ist eine Art, die dem Menschen verwandt sei, sinnierte er durch die Brille der darwinschen Evolutionstheorie: Doch anstatt mit Ellbogeneinsatz arbeite er sich durch Morastschleim nach oben. Mit der bekannten aber immer wieder faszinierenden Imitationskunst schlüpfte der 57-Jährige in seine Rollen, zog seine Folgerungen mit beklemmender Logik, klagte Staat und Kirche an - und schloss ganz schlicht mit einem Rat: „Es erleichtert die Politik ungemein, wenn die, die nichts zu sagen haben, auch nichts sagen.“
07.02.2011